Seit einigen Monaten mache ich monatlich eine „30 days challenge“ inspiriert durch den TED Talk „Try something new for 30 days“ von Matt Cutts.
Die diesmonatige (Jänner) Challenge war das Hervorbringen eines luziden Traumes, auch Klartraum genannt. (Ein Klartraum ist ein Traum, in dem man sich bewusst ist, dass man träumt.)
Wie sooft war die Challenge eigentlich zweiseitig. Einerseits ging es darum sie jeden Tag auszuführen, andererseits gab es die monatsspezifische Challenge, das Hervorbringen eines luziden Traumes. An beiden bin ich gescheitert. Von geplanten 30 Tagen, habe ich ca. fünf ausgelassen. Auch habe ich es nicht geschafft einen luziden Traum zu erzeugen. Trotzdem war es eine sehr spannende und vor allem lehrreiche Challenge. Was spannend und lehrreich war, habe ich hier zusammengefasst.
(Um über das Klarträumen zu lernen, habe ich das Buch Exploring the World of Lucid Dreaming von Stephen LaBerge und Howard Rheingold gelesen. Mehr Infos dazu am Ende des Artikels.)
Der Klartraum verdeutlicht wie unkritisch wir Menschen sein können
Was mich im Rahmen der Challenge besonders fasziniert hat, war es zu sehen wie unkritisch wir sein können. Selbst wenn wir im Traum Geschehnisse als unmöglich erkennen, hinterfragen wir unsere Wahrnehmung nicht immer. Stattdessen akzeptieren wir die Realität als normal indem wir sie durch uns bereits Bekanntes zu erklären versuchen. Dazu ein Auszug aus dem Buch der dies verdeutlicht:
Let us suppose, for example, that in my dream I am in a cafe. At a table near mine is a lady who would be very attractive – only, she has four eyes. Here are some illustrations of these degrees of activity of the critical faculty:
(1) In the dream it is practically dormant, but on waking I have the feeling that there was something peculiar about this lady. Suddenly, I get it – “Why, of course, she had four eyes!”
(2) In the dream I exhibit mild surprise and say, “How curious that girl has four eyes! It spoils her.” But only in the same way that I might remark, “What a pity she had broken her nose! I wonder how she did it.”
(3) The critical faculty is more awake and the four eyes are regarded as abnormal; but the phenomenon is not fully appreciated. I exclaim, “Good Lord!” and then reassure myself by adding, “There must be a freak show or a circus in the town.” Thus I hover on the brink of realization, but do not quite get there.
In dem Fall wäre die Schwierigkeit die „critical faculty, also das kritische Denken, vollständig zu aktivieren um dann zum Schluss zukommen, dass die gegebene Situation unmöglich ist:
(4) My critical faculty is now fully awake and refuses to be satisfied by this explanation. I continue my train of thought, “But there never was such a freak! An adult woman with four eyes – it’s impossible. I am dreaming.”
Der Hinweis auf “unmögliches” deutet bereits auf den nächsten für mich interessanten Punkt hin. In einem Klartraum kann man alles machen.
Klarträumen bietet umfangreiche Möglichkeiten zur Unterhaltung und Arbeit
Weiters fand ich die Einsatzmöglichkeiten von Klarträumen mehr als faszinierend. Hierzu ist es wichtig zu wissen, dass geträumte Bewegungen dieselben Gehirnareale aktivieren wie im wachen Zustand ausgeführte Bewegungen. Da aber unser Körper in dieser Schlafphase (genannt REM) unbeweglich ist, bleibt es lediglich bei der Aktivität im Gehirn.
Diese Aktivität reicht jedoch aus um motorische Bewegungen die im wachen Zustand ausgeübt werden zu trainieren. Beispielsweise gibt es Forschungen die belegen, dass das Trainieren einer Sportart im Traum das Können im wachen Zustand verbessert. Neben solchen lernenden Einsatzgebieten, kann das luzide Träumen auch für alle möglichen anderen „Spaßaktivitäten“ verwendet werden. Sex und Fliegen sind angeblich eine der häufigsten Tätigkeiten.
Nicht nur eröffnet der Klarträume dadurch Möglichkeiten zur Erhöhung der Produktivität (man kann schließlich arbeiten während man schläft indem man sich beispielsweise auf eine Präsentation vorbereitet), sondern stellt er eine sehr spannende Alternative zur virtuellen Realität durch VR-Brillen dar. Dies wird deutlich, wenn man die oben erwähnten Möglichkeiten des Klarträumens (z. B. Fliegen) mit Anwendungsfällen von VR-Brillen vergleicht. Diese können beispielsweise eingesetzt werden um Berge zu erkunden, etwas was im Klartraum mit Leichtigkeit zu erreichen ist.
Weiters war die Bedeutung des Willens für das Erreichen eines Klartraums spannend.
Das Wollen als wichtiger Bestandteil eines luziden Traumes
Luzides Träumen ist grundsätzlich von jedem erlernbar. Dazu muss der Träumer es aber bewusst wollen. Willenskraft ist eine Einstellung die hierzu sehr hilfreich ist. LaBerge hat deshalb im Buch einige sehr spannende Übungen vorgestellt durch welche Willenskraft trainiert werden kann. Meiner Meinung nach ist Willenskraft im Generellen wichtig, auch wenn man nicht versucht einen luziden Traum zu kreieren. Deswegen haben mich diese Übungen so fasziniert. Faszinierend waren sie aber auch, weil es unglaublich interessant war mich beim Ausführen dieser Übungen zu “beobachten”. D. h. meine Gedanken zu observieren und beispielsweise festzustellen, dass je später am Tag ich diese Übungen ausführe, desto weniger Lust habe ich darauf.
Hier sind einige der Übungen, übersetzt aus dem Buch übernommen:
- Bewegen 50 Büroklammer von einer Box in eine Andere. Einzeln, bewusst und langsam.
- Steige 30 Mal von und auf einen Stuhl. Stehe fünf Minuten auf einem Stuhl.
- Wiederhole leise, aber hörbar für fünf Minuten: „Ich werde das machen.“ (Da mir nicht ganz klar ist was inhaltlich genau gemeint ist, hier das englische Original: “I will do this”)
- Gehe fünf Minuten lang in einem Zimmer von einem Punkt zu einem Anderen und berühre auf jeder Seite ein bestimmtes Objekt. Beispiel: Eine Vase auf der einen, ein Fenster auf der anderen Seite.
- Stehe täglich 15 Minuten früher auf als notwendig.
- Widerstehe einen ganzen Tag lang dem Drang dich zu beschweren.
- Schreibe 100 Mal „Ich werde eine sinnlose Aufgabe schreiben.“ (Im Original: „I will write a useless exercise.”) [footnote] „useless exercises“ beziehen sich auf die Beschreibung der hier angeführten Übungen. Diese werden aufgrund ihrer Natur so genannt.[/footnote]
Weiterführende Infos für Klartraum-Interessierte
Ich möchte hier nicht darauf eingehen wie man einen luziden Traum erreicht, da ich einerseits nicht erfolgreich darin war und andererseits nur wiederholen kann was LaBerge geschrieben hat. Wer es erreichen möchte dem kann ich LaBerges Buch eingeschränkt empfehlen. [footnote]Da es das einzige Buch ist welches ich über das Thema gelesen habe, kann ich es nicht mit anderen Büchern hinsichtlich des inhaltlichen Werts vergleichen. Nichtsdestotrotz ist es auf alle Fälle sehr lehrreiche, weil es sowohl einen leicht verständlichen wissenschaftlichen Blick auf das luzide Träumen gibt als auch klare Trainingsmethoden empfiehlt. Schön war auch LaBerges nüchterner Ansatz, indem er den Klartraum nicht als „Wunderwaffe“ hingestellt hat und ganz klar auf mögliche Beschränkungen hingewiesen hat. Auch hat er dem Leser klargemacht, dass das Erreichen eines luziden Traumes nicht ohne Wille und Training funktioniert.[/footnote] Eingeschränkt deswegen da es bereits relativ alt ist – es erschien 1991 – und möglicherweise haben sich in Zwischenzeit viele Dinge geändert. LaBerges 2004 erschienenes Buch „Lucid Dreaming: A Concise Guide to Awakening in Your Dreams and in Your Life“ könnte (habe es nicht gelesen) eine gute und vor allem neuere Alternative dazu sein. Auch scheint mir das Klartraum-Wiki sehr hilfreich zu sein. LaBerge ist übrigens einer der führenden Forscher auf dem Gebiet ist.
Hinweis: Das Vorschau- bzw. Titelbild zeigt Ausschnit aus der von mir gemachten “useless exercise” Nummer 7 [footnote]Schreibe 100 Mal „Ich werde eine sinnlose Aufgabe schreiben.“ (Im Original: „I will write a useless exercise.”)[/footnote]. Siehe auch Bild unten.